Der Vorstand vor 40 Jahren und heute

Wenn sie über die Vorstandsarbeit reden, treffen zwei verschiedene Welten aufeinander: Werner Gantenbein, 30 Jahre im Vorstand der BG Frohheim, und Carlo Zürcher, der neu gewählt wurde. Ein spannendes Gespräch, das die Moderni­sierung über die Jahre widerspiegelt.

24. November 2023

Werner Gantenbein (links) und Carlo Zürcher beim Gespräch auf der BGF-Geschäftsstelle.

Werner Gantenbein, wie haben Sie als ehemaliger Siedlungsobmann Suteracher Ihre 30 Jahre im Vorstand in Erinnerung?

Gantenbein: Verrückt und spannend. Heute kann man sich den Aufgabenbereich der Siedlungsobmänner von damals fast nicht mehr vorstellen. Wir haben von Wohnungskontrollen im Hinblick auf mögliche Renovationen über die Organisation des Genossenschaftstags bis hin zur Auswahl der neuen Mieterinnen und Mieter alles selbst gemacht. Und das im Suteracher mit 344 Wohnungen! (lacht) Um dies bewältigen zu können, habe ich mir bei Kontrollen zum Beispiel sieben Minuten Zeit gegeben, um zu prüfen, ob renoviert oder frisch gestrichen werden muss. Selbst die Offerten der Handwerker haben wir eingeholt. Die Verwaltung war damals viel kleiner. Im Vorstand haben wir neben allgemeinen ­Themen wie dem Bauen auch die spezifischen Anliegen jedes Siedlungsobmanns der städtischen Siedlungen besprochen.

Zürcher: Wurde in deiner Zeit auch gebaut?

Gantenbein: Der Suteracher wurde fertig gebaut und der Ersatzneubau Affoltern realisiert. Den Mieterinnen und Mietern der damaligen Reihenhäuser zu erklären, dass die Siedlung einem Ersatzneubau weichen musste, war eine der grössten Herausforderungen in meiner Vorstandszeit.

 

«Mit dem Wechsel von einem ­dezentralen zu einem zentralen Verwaltungssystem hat ein Prozess hin zu einer Professionalisierung stattgefunden.»

Carlo Zürcher

Carlo Zürcher, wenn Sie das hören, ist es wie Tag und Nacht, oder?

Definitiv! Mit dem Wechsel von einem dezentralen zu einem zentralen Verwaltungssystem hat ein Prozess hin zu einer Professionalisierung stattgefunden. Unterhalt und Betrieb liegen heute nicht mehr dezentral bei den Siedlungsobmännern, sondern zentral bei der Verwaltung. Mit dem Kulturnetz gibt es auch auf der Ebene des Sozialen und der Soziokultur ein weiteres professionelles Angebot für alle Mieterinnen und Mieter.

Wie war das Zusammenleben damals, Werner Gantenbein?

Gantenbein: Der jährliche Genossenschaftstag in jeder Siedlung war ein Riesenevent. Wir hatten dafür extra ein Militärzelt aufgestellt. Alle haben mitgemacht. In einem Jahr gab es plötzlich eine Teilnahmeflaute – dann haben wir im nächsten Jahr Gratisrisotto für alle serviert. Das war die Lösung! (lacht)

Zürcher: Ich kann mir vorstellen, dass damals noch mehr Zeit gemeinsam in der Genossenschaft verbracht wurde. So ist zumindest meine romantische Vorstellung des früheren Genossenschaftslebens. (schmunzelt) Heute ist man mobiler, die Genossenschaft ist nicht mehr der einzige Lebensmittelpunkt und die internen Kontakte sind vielleicht weniger geworden.

Gantenbein: Ja, heute sind alle viel beschäftigt – sogar wir Pensionierten. (lacht) Durch die Wohnungskontrollen habe ich jeden und jede gekannt. So kannte ich die sozialen Themen aus erster Hand und konnte sie im Vorstand einbringen. Das hatte aber auch seine Nachteile…ständig wollte jemand etwas von mir.

Zürcher: Diese Gefahr besteht heute kaum noch. Im ­Vorstand hören wir zwar vieles aus den Siedlungen, aber wir sind nicht selbst involviert. Das heisst, wir entscheiden auf strategischer Ebene.

«Wir haben von Wohnungs­kontrollen im Hinblick auf mögliche Renovationen über die Organisation des Genossenschaftstags
bis hin zur Auswahl der neuen Mieterinnen und Mieter alles selbst gemacht.»

Werner Gantenbein

Wo liegen die Herausforderungen heute gerade beim Bauen?

Zürcher: Bei den neuen Projekten ist das Ziel, dass die Liegenschaften nicht nur im Betrieb wenig Energie verbrauchen, sondern auch in der Erstellung, also bei der sogenannten grauen Energie, möglichst ökologisch abschneiden. Bei den bestehenden Bauten ist es wichtig, diese regelmässig zu überprüfen, um so den guten Bestand – wenn sinnvoll und möglich – zu erhalten und
zu sanieren, statt ihn abzubrechen.

Gantenbein: Das war der BGF eigentlich schon früher wichtig. Beim Suteracher war zu meiner Zeit aber aus statischen Gründen eine Aufstockung keine Option. Man hat saniert, isoliert, Wohnungen zusammengelegt und behindertengerecht gemacht. In Affoltern haben wir damals eine Wärmepumpe und in Richterswil eine Photovoltaik-Anlage eingesetzt – das waren Rieseninnovationen. Aber natürlich hätten wir noch mehr für die Umwelt machen können.

Zürcher: Nun ja, die graue Energie, die Wahl der Baustoffe: Das sind Themen, die in der breiten Diskussion zum Bauen erst vor gut zehn Jahren angekommen sind.

Was wünschen Sie der BGF zum 80. Geburtstag?

Zürcher: So, wie ich die BGF wahrnehme, ist sie eine Erfolgsgeschichte. Ich wünsche mir, dass der Geist des Zusammenlebens und der sozialen Verantwortung weitergelebt werden kann.

Gantenbein: Und dass noch mehr Wohnungen für Menschen mit weniger Geld zur Verfügung gestellt werden können.

Unsere Interviewpartner

Werner Gantenbein (80) war Erstmieter im Hochhaus Suteracher 80 und wohnt heute noch dort. Er war von 1979 bis 2009, also während 30 Jahren, Vorstands­mitglied mit Funktionen als Siedlungsobmann des Suter­achers, Präsident der Baukommission und Vizepräsident der BGF.

Carlo Zürcher (46) lebt seit zwei Jahren mit seiner Familie am Brüderhofweg. Er ist Architekt (FH) bei ­Zimmer Schmidt Architekten Zürich und seit der letzten GV BGF-Vorstandsmitglied. Ihm liegen besonders die Nachhaltigkeitsthemen auf der ­Planungsseite am ­Herzen.