Immer im Einsatz, als Imker wie als Hauswart
Auch in seiner Freizeit widmet sich Leonhard Sprecher, Hauswart der Siedlung Affoltern, dem Thema Genossenschaften: Seine über 300’000 Bienen wissen ganz genau, dass sie nur zusammen stark sind.
Leo Sprecher stellt den Motor ab und platziert ein Schild unter der Windschutzscheibe: «Imker im Einsatz». Zusammen mit seiner Frau Marianne lädt Leo Sprecher drei graue Kunststoffboxen aus dem Kleintransporter. Diese tragen sie quer über die Wiese, zum 150 Meter entfernten Bienenhaus. Die Schutzanzüge sind schnell übergestreift. Beide tragen unter der Haube mit Netzeinsatz noch eine «Dächlikappe». Marianne Sprecher erklärt: «So hängt das Netz nicht direkt auf der Haut und wir sind besser geschützt.»
Verhalten sich Bienen genossenschaftlich?
Leo Sprecher: Ja, unbedingt, denn sie schauen füreinander. Sie wissen genau, dass sie alleine nichts erreichen können und nur zusammen stark sind.
Was können Genossenschafterinnen und Genossenschafter von den Bienen lernen?
(lacht) Dass das Gemeinsame, das Leben in der Symbiose, gut funktioniert.
«Die Wild- und Blumenwiesen in der Siedlung sind generell insekten- und tierfreundlich, sogar Eidechsen hab ich hier schon gesehen.»
Leo Sprecher
Wie bienenfreundlich sind die Bepflanzungen der BGF-Siedlungen?
Sehr bienenfreundlich, vor allem beim Brüderhofweg in Zürich und bei den Neubauten Thalwil wurde grosser Wert auf Biodiversität gelegt. Hier in Zürich Affoltern haben wir Wild- und Blumenwiesen, was natürlich nicht nur bienen-, sondern generell insekten- und tierfreundlich ist. So haben wir alles Mögliche hier – sogar Eidechsen habe ich schon gesehen.
Was können Mieterinnen und Mieter den Honig- und Wildbienen sowie den Hummeln auf dem Balkon oder in Gärten zuliebe tun?
Einerseits gibt es Bienenhotels speziell für Wildbienen und auch solche für Hummeln. Dann lassen sich die Balkonkisten attraktiv bepflanzen, wobei eine Blume nicht reicht und gezüchtete Sorten wie Rosen nichts hergeben. Besonders bienenfreundlich ist der Wiesensalbei, grundsätzlich eignet sich fast alles, solange es nur vielfältig und einheimisch ist.
Lassen sich die Bienenzucht und Ihr Beruf als Hauswart bei der BGF gut aufeinander abstimmen?
Ja, sehr gut. Ich bin vor allem am Wochenende für die Bienen unterwegs. Im Sommer ist der Aufwand höher als im Winter. Vom März bis Oktober hat man eigentlich immer Arbeit mit ihnen, im Winter lässt man sie in Ruhe und macht nichts an den Völkern. Ich wende etwa 3 bis 4 Stunden pro Woche auf für Kontrollen, Reinigung des Bienenhauses und dergleichen mehr.
Was reizt Sie daran, für eine Genossenschaft tätig zu sein?
(lacht) Bei mir war es der Beruf, der mich in die Genossenschaft gebracht hat. Wahrscheinlich hätte ich eine andere Hauswartstelle angenommen, aber der Zufall wollte es, dass ich dank der Ausschreibung der BGF wieder nach Affoltern konnte, an den Ort, an dem ich aufgewachsen bin und meine ganze Jugend verbracht habe. Mit der Fertigstellung des Ersatzneubaus der Siedlung Affoltern hat die BGF einen neuen Hauswart gesucht und der bin nun ich. Für mich eine optimale Situation.
Leo Sprecher öffnet Fenster und Dachluken. So können Bienen, die noch in den Honigräumen sind und durch seinen Eingriff aufgescheucht werden, leicht nach draussen kommen. Doch da er bereits am Vorabend die sogenannte Bienenflucht zwischen Honig- und Brutraum angebracht hat, sollten im Moment nicht viele Bienen in den Honigräumen sein. Die kleine Vorrichtung lässt Bienen nur vom Honigraum in den darunter gelegenen Brutraum krabbeln, aber nicht wieder zurück.
Zarge für Zarge entnimmt Leo Sprecher den vier Honigkästen. Sie sind nicht alle gut gefüllt mit Honig. Im Idealfall erntet er pro Volk, das 50’000 bis 60’000 Bienen umfasst, 20 bis 40 Kilogramm im Frühjahr und im Sommer, doch das Frühjahr war wegen des Wetters schon ertragsschwach und für die Sommerernte rechnet er auch nur mit 10 Kilo pro Volk. Vor dem Bienenhaus klopft Leo Sprecher die Zargen ab, damit die wenigen Bienen, die noch auf den Waben sitzen, davonliegen. Die Zargen stellen Leo und Marianne Sprecher in verschliessbare Plastikboxen. Nach weniger als einer Stunde ist die Ernte am Katzensee zu Ende und es geht wieder zurück nach Affoltern.
Was fasziniert Sie an der Bienenzucht und wieso haben Sie angefangen?
Vor allem die Arbeit mit den Bienen. Ihre Entwicklung vom Ei zur Larve bis hin zur fertigen Biene in den Brutwaben. Früher hab ich ab und zu der Bäuerin vom Waidhof beim Schleudern des Honigs geholfen. Dann kam ich zu der Anlage hier in Affoltern mit zwei Bienenvölkern, da wir hier viel Wild- und Wiesenblumenflächen haben. Und durch Zufall konnte ich von einem Bekannten das Bienenhaus am Katzensee mit vier Bienenvölkern übernehmen.
Wie häufig wurden Sie schon gestochen?
(lacht) Unzählige Male! Manchmal denkt man, heute passiert sicher nichts und schützt sich ungenügend. Genau dann wird man gestochen. Ab und zu auch trotz der Schutzanzüge, wenn ich zum Beispiel vergesse, einen Reisverschluss richtig zuzumachen.
Wie behandelt man einen Bienenstich am besten?
Gar nicht, die Schwellung geht meistens recht schnell von allein Weg. Zumindest, wenn man nicht allergisch ist. Einmal hatte ich sechzehn Stiche in der Hand durch den Gummihandschuh, da war die Hand danach ordentlich geschwollen. Immerhin blieben die Stachel im Handschuh und nicht in der Haut stecken.
Wie geht es den Bienen in der Schweiz eigentlich? Einerseits wird vom Bienensterben gesprochen, andererseits davon, dass der Imkerboom die Wildbienen und Hummeln gefährdet?
Die Varroa-Milbe, die als Parasit die Honigbienen befällt, haben wir durch Behandlungen halbwegs im Griff. Es kommt aber immer wieder vor, dass mehrere Völker aufs Mal durch Vergiftungen umkommen. Wildbienen sterben, weil die Biodiversität zu klein ist und damit das Nahrungsangebot. Hummeln, Honig- und Wildbienen ergänzen sich, sie haben teilweise auch unterschiedliche Nahrungsquellen. Und sie brauchen sich gegenseitig. So kann eine Biene nichts mit Klee anfangen, ausser eine Hummel hat die Blütenknospen bereits angeknabbert, dann kann sich auch die Biene am Klee bedienen.
«Wer sich immunisieren will, isst am besten Honig aus der Region.»
Leo Sprecher
Besonders regionaler Honig soll reich an Enzymen sein. Wie kommt man am besten zu regionalem Honig?
Ja, man sagt, wenn man sich immunisieren will, zum Beispiel gegen Heuschnupfen, nütze es besonders, wenn man Honig aus der Region esse. Drogerien haben angefangen, diesen anzubieten und Bioläden schauen, dass sie regionalen Honig verkaufen können. Imker mit grösseren Produktionsmengen verkaufen ihren Honig auch via Hofläden.
Wie essen Sie Ihren Honig am liebsten?
Sehr gerne und zu rund 95 Prozent auf dem Butterbrot. Wir tun ihn auch mal in die Salatsauce rein. Fürs Backen verwenden wir ihn eher selten, da erhitzter Honig viele seiner Eigenschaften verliert.
In der Siedlung Affoltern konnten die Sprechers einen Kellerraum mieten, in dem sie alles lagern, was sie für die Bienenzucht brauchen, von den Zargen bis zu den Honiggläsern. Und auch die Honigschleuder hat dort ihren Standort. Sie sieht aus wie früher die Wäscheschleudern, nur etwas kleiner und mit einem Deckel. Leo Sprecher stellt 6 Zargen mit Honig hinein, jeweils zwei übereinander.
Nach Minuten sind die in der Schleuder nach aussen gerichtete Wabenseiten der Zargen leer. Dann dreht Leo Sprecher die Zargen, um die andere Wabenseite zu schleudern, bevor die nächsten sechs Zargen an die Reihe kommen. Der Honig bleibt dann rund zwei Tage stehen, damit der durch das Schleudern entstandene Schaum aufsteigen kann. Anschliessend wird der Schaum abgeschöpft und in die Gläser abgefüllt, auf denen die von Leo und Marianne Sprecher kreierten Etiketten kleben, die mit einer eindeutigen Nummer und dem Erntedatum versehen sind, damit alles seine Ordnung hat.